Der Schneeball Effekt der Teammotivation
Mit einer zunehmenden Komplexität in der modernen Arbeitswelt steigt auch die Erwartung, dass Projekte am besten in Teams bearbeitet werden können. Teamarbeit gewinnt zunehmend an Bedeutung - angeregt durch die Herausforderung interdisziplinär zu arbeiten, New Work Phänomen und dem zunehmenden partizipativen Management von Unternehmen. Ja, die Teamarbeit ersetzt langsam, aber sicher starre hierarchische Strukturen.
Und dann war da auch noch die Agilität. Erfolgreiche Unternehmen bemühen sich heutzutage vor allem um eines: Agil zu sein und agiler zu werden. Doch was steckt hinter dem Trendbegriff, der noch bis vor ein paar Jahren ausschließlich der Beschreibung des Gesundheitsstatus von Rentnern zu eigen war. Zoomen wir dafür noch ein bisschen raus: Das Streben nach wirtschaftlicher Effizienz, das zum Teil durch den globalisierten Wettbewerb ausgelöst wurde, hat Druck auf Unternehmen ausgeübt, schneller und reaktionsfähiger zu werden. „Von großer Beweglichkeit zeugend; regsam und wendig“ sein definiert der Duden den Zustand, den man also haben muss, um in einer schnelllebigen Welt Fuß zu fassen. Genau das scheint vor allem im Teamsetting gut zu funktionieren, wie Wissenschaftler John Mathieu und seine KollegInnen in einem Review über die Entwicklung von Teammodellen feststellten.
So weit so gut: Um den neuen Umwelt- und Wettbewerbsanforderungen gerecht zu werden, nutzen viele Unternehmen Teams als Möglichkeit, agiler zu werden.
Darauf aufbauend ergaben sich sogar neue Berufsbilder. Vom Agile Coach zum Scrum Master. Geblendet von den positiv konnotierten Begriffen und Assoziationen übersieht man jedoch häufig die spannende Grundsatzfrage: Sind Teams besser als einzeln arbeitende MitarbeiterInnen? Fakt ist: der Trend zur Teamarbeit lässt eine gewisse Überlegenheit von Gruppen gegenüber Einzelpersonen anmuten. Doch ist das tatsächlich so?
Schaut man sich die Forschungslage zu Teamarbeit an, erschreckt man beinahe anhand der beträchtlichen Anzahl an wissenschaftlichen Befunden über Koordinations- und Motivationsverlusten in Teams. Spannend ist in diesem Zusammenhang das Stichwort der Synergie. Intuitiv ist: Teamarbeit sollte einen gewissen Mehrwert bringen. Nichts anderes besagt das Konzept der Synergie: schwache Synergie meint eine Gruppenleistung, die über der Leistung des durchschnittlichen Gruppenmitglieds liegt, wenn allein gearbeitet wird. Eine starke Synergie ist dagegen eine Gruppenleistung, die die Sololeistung selbst des besten Gruppenmitglieds übertrifft. Auf einmal wird Teamleistung quantifizierbar. Zahlenfreunde und TheroetikerInnen freuen sich. Praktisch ist daneben vor allem eines von Relevanz:
Was sind die Ursachen für Motivationsgewinne und Motivationsverluste und wie können Unternehmen ihr Potenzial für organisatorische Effektivität in Teams stärken?
Diese einfache Frage bedarf eine komplexe Antwort. Denn unter der Prämisse einer gemeinsamen Zielsetzung kann Teamarbeit sehr unterschiedlich ausfallen und verschiedene Herausforderungen mit sich bringen. Vom Grad der Autonomie, der zeitlichen Begrenzung, der Art und Struktur der Aufgabe bis hin zur Anzahl der Teammitglieder - Teamarbeit scheint „mehr als die Summe seiner Teile“ zu sein, wie die Wirtschaftspsychologen Senft & Kohlgrüber schon vor über 25 Jahren feststellten. Jene Dimensionen sind es, die sich nach arbeits- und organisationspsychologischer Forschung auf das Erleben und Verhalten der Teammitglieder und damit auch auf die Effektivität der Gruppe auswirken. Die Förderung von Motivationsgewinnen in Teams ist dabei essenziell für eine Steigerung der Gruppenleistung.
So stellt sich also vielmehr die korrigierte Frage, wie vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlich ausfallenden Teams und der Aufgabenart die Motivation in Teams maximiert werden kann. Eine Frage, die sich Unternehmen häufig stellen und auf die Führungskräfte eine Antwort finden sollen. Eine Frage, die häufig im Führungskräfte Coaching thematisiert wird.
Dienlich ist hier ein Input-Process-Output-Model (Logik vorherrschender Konzeptualisierungen von Teameffektivität). Die Inputs beziehen sich hierbei auf die Zusammensetzung des Teams im Hinblick auf individuelle Merkmale und Ressourcen. Bei der Teamarbeit werden eine Vielzahl von Inputs kombiniert, um Aufgabenanforderungen zu lösen oder auch nicht zu lösen. Prozesse mediieren dabei die Übersetzung von Inputs in Outcomes. Was technisch klingt, hat erlebbare Implikationen: Das Faszinierende bei dem Zusammenspiel von Motivation und Teameffektivität ist, dass Motivation sowohl eine Input- als auch Outputvariable darstellt. Motivation und Teameffektivität bedingen sich folglich gegenseitig. Umso motivierter Teammitglieder sind, desto effektiver ist die Gruppenarbeit und desto motivierter sind wiederrum die Teammitglieder (Tannenbaum, 1992).
Denkt man diese Positivspirale weiter, ergibt sich ein Schneeballeffekt, eine Motivationskaskade, die sich durch Führungskräfte Coaching sogar maximieren lässt: Das Coaching führt zu einer Motivationssteigerung der Führungskraft (Greif, 2015), die Motivation und Emotionen der Führungskraft übertragen sich auf die Teammitglieder, was zu einer besseren Teamleistung führt und darüber wieder zu einer erhöhten Motivation. Durch das Coaching entwickelt die Führungskraft ihren Führungsstil weiter, lernt Führungstheorien und Instrumente kennen. Dadurch wird diese (idealerweise) selbstwirksamer und effektiver in der aktiven Motivierung ihrer Teammitglieder und dem Aufbau von Teamkohäsion, was den Motivationseffekt sogar verstärkt. Zudem nutzt die Führungskraft selbst Coaching Methoden, um die MitarbeiterInnen zu motivieren.
TL;DR
Die gesellschaftlichen und technischen Entwicklungen im Rahmen der Globalisierung bedürfen eine agile Arbeitsweise. Diese lässt sich am leichtesten im Team realisieren.
Teamarbeit ist dabei nicht automatisch förderlich und motivationssteigernd, obgleich im unternehmerischen und universitären Kontext häufig aus Gewohnheit darauf gesetzt wird.
Teamarbeit sollte einen gewissen Mehrwert = Synergie bringen. Das bedeutet eine Gruppenleistung, die mindestens über der Leistung des durchschnittlichen Gruppenmitglieds liegt, wenn allein gearbeitet wird.
Eine wichtige Aufgabe von Führungskräften ist die Beantwortung der Frage, wie vor dem Hintergrund der sehr unterschiedlich ausfallenden Teams und der Aufgabenart die Motivation in Teams maximiert werden kann. Coaching kann bei dieser Frage ansetzen und dazu verhelfen, eine Motivationskaskade in Gang zu setzen = Schneeballeffekt.
Reflexionsfragen
Wie viel arbeitet mein Team tatsächlich als Team gemeinsam und wie viel als “Einzelarbeit”?
Wie viel Mehrwert bietet die Teamarbeit?
Welche Charakteristiken hat das Team und die Aufgabe, an der die Mitglieder gemeinsam arbeiten?
Hertel, G., & Hüffmeier, J. (2014). Teamarbeit: Wirkmechanismen und Rahmenbedingungen. In H. Schuler & K. Moser (Eds.), Lehrbuch Organisationspsychologie (pp. 219-262). Bern: Hans Huber
Hüffmeier, J., & Hertel, G. (2011). When the whole is more than the sum of its parts: Group motivation gains in the wild. Journal of Experimental Social Psychology, 47(2), 455–459.
doi:10.1016/j.jesp.2010.12.004Karau, S. J., & Williams, K. D. (1993). Social loafing: A meta-analytic review and theoretical integration. Journal of Personality and Social Psychology, 65(4), 681–706. doi:10.1037/0022-3514.65.4.68
Senft, S., & Kohlgrüber, M. (1997). Arbeitsorganisation - Das Ganze ist mehr als die Summe seiner Teile! In Lay G. & Mies C. (Eds.), Erfolgreich Reorganisieren (pp. 91–114). Heidelberg, Berlin: Springer.
Tannenbaum, S. I., Mathieu, J. E., Salas, E., & Cohen, D. (2012). Teams Are Changing: Are Research and Practice Evolving Fast Enough? Industrial and Organizational Psychology, 5(1), 2–24.https://doi:10.1111/j.1754-9434.2011.01396.x
Mathieu, J., Maynard, M. T., Rapp, T., & Gilson, L. (2008). Team Effectiveness 1997-2007: A Review of Recent Advancements and a Glimpse Into the Future. Journal of Management, 34(3), 410–476. https://doi.org/10.1177/0149206308316061